Uhus an den Externsteinen

Wenn an den Externsteinen die Dämmerung hereinbricht, sind sie zur richtigen Zeit und mit etwas Glück zu hören: Dumpfe Rufe, die durch den Wald hallen. Ein tiefes „Huu“ und eine Tonlage höher ein „uhuuu“. Diesen Rufen verdankt unsere größte Eule ihren Namen – Uhu. Er wird auch „König der Nacht“ oder „Großherzog“ genannt – letzteres, weil er tagsüber von anderen Vögeln angegriffen wird. Die Vögel „hassen auf ihn“, wie es in der Fachsprache heißt.

Uhus sind von Nordafrika bis Asien, von Spanien bis China verbreitet. Im Lipperland war er noch in den 80er Jahren eine Rarität, doch ausgehend von einer Wiederansiedlung im Weserbergland hat sich der Bestand in der Region inzwischen weitgehend erholt. Normalerweise sind die Weibchen größer als die Männchen, wiegen bei uns bis zu drei Kilo und haben Spannweiten von mehr als 160 Zentimetern. Wie bei vielen anderen Arten auch gibt es in der Größe ein Nord-Süd-Gefälle: Die Tiere aus den hohen Norden sind besonders groß, da wurden schon mehr als vier Kilo Körpergewicht gemessen, die Uhukollegen aus den südlichen Regionen sind deutlich zierlicher.

Im Jahreslauf

Junges aus der Uhu-Brut an den Externsteinen

Für die Uhus beginnt das Jahr früh. Spätestens um die Weihnachtszeit erklingen die Balzrufe des Männchens. An den Externsteinen war das bereits 2005 der Fall. Damals wurde der lippische Ornithologe Dirk Grote auf den Uhu aufmerksam. Die Rufe waren zunächst nicht von Glück beschieden, doch das Männchen gab nicht auf. 2006 gesellte sich erstmals ein Weibchen dazu – und blieb. Es war das Jahr der ersten erfolgreichen Uhubrut im neuen Jahrtausend an den Felsen.

Uhus bleiben meist zusammen – deswegen nimmt auch die Balzaktivität im Laufe der Jahre ab. Es ist wie bei einem alten Ehepaar: Man kennt sich, und spart sich den Energieaufwand einer intensiven Werbung. Und auch in Sachen Nistplatz wird kein großer Aufwand getrieben – eine kleine Mulde reicht. Meist auf einem Felsvorsprung oder einer Nische – das ist der klassische Ort. Hin und wieder erobern Uhus große Horste von Greifvögeln und manchmal brüten sie auch direkt am Boden. Allerdings meist an einem Hang.

Ende Februar werden die Eier gelegt, nach 34 Tagen schlüpfen Anfang April die Küken. Anfangs bleibt die Mutter noch an der Nestmulde, später döst sie tagsüber meist in einiger Entfernung in einem Baum, ohne aber ihre Jungen aus den Augen zu lassen. Von der Maus bis zum Jungfuchs, von Krähen bis Bussarden – die Speisekarte der Uhus ist lang. Allerdings spezialisieren sich Uhus oft auf bestimmte Tiere, die dann einen großen Anteil der Beute ausmachen. Sind ertragreiche Vorgärten in der Nähe, können das beispielsweise Igel sein – denn der Uhu ist in der Lage, den Igel durch sein Stachelkleid hindurch zu packen und zu töten.

Es gibt auch Uhupaare, die sich auf Hauskatzen spezialisierten, weil diese in ihrem Revier eine einfache Beute darstellten. Bei einem anderen beobachteten Paar besteht die Beute vor allem aus Ratten und Krähen, weil diese in der Umgebung in Hülle und Fülle vorkommen. 

An den Externsteinen verlassen die jungen Uhus in der ersten Junihälfte ihre Brutnische. In den ersten Tagen sitzen sie meist gut getarnt auf dem Waldboden. Es kann vorkommen, dass sie einen halben Meter neben einem Wanderweg hocken, aber nicht entdeckt werden. Die Uhus verlasen sich hier nicht nur auf ihre Tarnung: Gerade an den Externsteinen haben sich die Alttiere an den Besucherverkehr gewöhnt, geben  ihren Jungen auch eine entsprechende Gelassenheit mit. Die haben dann natürlich bessere Chancen, ein Revier zu finden, in dem es zu Störungen kommt, als scheue Artgenossen. 

Die Jungtiere werden von den Eltern mit Futter versorgt – oft wird  das Nachtmahl in der Nähe auf Felsen oder Baumstümpfen deponiert, die Jungen müssen es sich inzwischen selbst holen und zerlegen. Zwei Wochen später können sie bereits auf Äste flattern, und bis Anfang August fliegen sie schon recht gut. Die Essenrationen werden dann kleiner, und spätestens im Oktober beginnt die Herbstbalz der Eltern, mit der die Jungen aus dem Revier vertrieben werden. Im Durchschnitt werden bei den Externsteiner Uhus der Jungtiere groß – das ist ein wenig höher als der Durchschnitt. Allerdings liegt die Sterblichkeit der Jungtiere im ersten Lebensjahr bei 70 Prozent. Es kommt auch schon mal vor, dass in Hungerzeiten das Nesthäkchen von den Geschwistern gefressen wird. 

Gefahren für die Uhus

Im Schatten der Felsen: Das Uhu-Männchen

Auch wenn es nicht viele natürliche Feinde gibt, welche den erwachsenen Uhus gefährlich werden können, so lauern auf die schönen Eulen doch mancherlei Gefahren. Jungtiere am Boden können von Mardern Fuchs oder Wildschwein gefressen werden  - dieses Risiko gehen diese Tiere allerdings nur in großer Not ein. Denn wenn die Eltern ihre Brut verteidigen, können sie mit ihren kräftigen Krallen schwere Wunden schlagen. Deswegen sollten Hunde in dem Bereich der Felsen auch an der Leine geführt werden – um unbeabsichtigte Konfrontationen zu vermeiden. Den alten Uhus wird nur der Mensch gefährlich. Beispielsweise, wenn am Felsen unter der Nestmulde Feuer gemacht wird. Auch Windkraftanlagen im Uhurevier werden oft zur tödlichen Fallen. Gerade am Teutoburger Wald erstrecken sich die Reviere im rechten Winkel zum Gebirgskamm oft kilometerweit ins Flachland heraus. So erstreckt sich das Revier der Externsteiner Uhus durchaus bis über Fromhausen heraus. Würden Windkraftanlagen in diesem Gebiet gebaut, würden die wunderbaren Eulen Gefahr laufen, geschreddert zu werden.

  
Ein anderes Problem sind Vergiftungen. Wenn Köder nicht fachmännisch ausgebracht werden, kann es zu Sekundärvergiftungen der Uhus kommen. Schließlich kommt es hin und wieder einmal vor, dass am Boden sitzende Jungtiere entdeckt werden. Wer solch ein Jungtier sichtet, sollte sich freuen, sie aus respektvollem Abstand beobachten und sie in Ruhe lassen – denn die Kleinen sind keineswegs hilflos und müssen auch nicht eingesammelt werden. Denn die Eltern sind immer in der Nähe und kümmern sich um ihren Nachwuchs...

Text und Fotos: Robin Jähne